Kürzlich war ich nach allzu langer Zeit wieder einmal bei einem Live-Konzert, einem nach zwei Jahren nachgeholten. Open Air. Auffällig manierliche Konzertbesucher, kein Stress beim Einlass. Das Access-Bändchen räumte in Großbuchstaben jeden Zweifel darüber aus, wer denn VIP ist. (Ich bin’s nicht, hab’s jetzt schriftlich.)
Das Wetter war eine Pracht, ebenso der Schlosspark Esterházy als Tatort. Der Täter namens Sting mit seinen Spießgesellen auf frischer Tat, und das in Bestform.
Eine elegante, kraftvolle Performance eines knapp 71-jährigen Mannes, der nicht nur (vermutlich dank 70 Jahren Yoga, makrobiotischer Ernährung und einer gelegentlichen Message in a Bottle vom eigenen Weingut) körperlich unfassbar fit ist. Sting ist zwei Jahre älter als sein legendärer Fender Precision Bass, sieht aber um zwanzig Jahre jünger aus. Offenbar hat er verstanden, dass man, wenn man gut auf sich achtet, nicht alt wird, sondern Vintage.
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Im Blogcast lese ich Dir diesen aktuellen Blogartikel vor. Mit Betonung, versteht sich!
Auf der Bühne erlebte die versammelte Gemeinde der The Police- und Sting–Anhänger einen dynamischen Menschen bei seiner Arbeit, voll wacher Energie in Leib und Seele. Gleiches gilt für seine Spielgefährten aus unterschiedlichen Altersgruppen.
Professionalität, wie sie sein soll. Wow! Danke!
Die innere Geschichte in diesem Erlebnis war im Zusammenwirken dieser wunderbaren großen Könner zu erleben, als ein exemplarisches Lehrstück für das, was unserer Welt an allen Ecken und Enden fehlt: Eine Gruppe Personen bringt ihr Bestes ein, damit sich eine Menge anderer am entstandenen großen Ganzen erfreuen können. Die Welt war eine bessere, jedenfalls zwei Stunden lang, plus Zugabe.
Der Lohn der Musikanten? Naturgemäß eine (hoffentlich fürstliche) Gage. Wobei ich mir ziemlich sicher bin, alle würden das, was sie auf der Bühne tun, nicht aufgeben, auch wenn sie ihren Lebensunterhalt durch andere Jobs bestreiten müssten. Wer kann das von seiner Arbeit noch sagen? Welches Unternehmen führt das als Maxime seines Handelns?
Der wahre Lohn der Bühnenkünstler wird jenseits von Heller und Pfennig ausbezahlt, inflationsbereinigt. Und zwar in Form von positiver Energie, als Vibes aus dem Publikum. Nicht nur mit Applaus, nein-nein. Es geht um viel mehr: es geht um Verbundenheit, um verteilte und geteilte Energie. Jeder, der schon einmal auf einer Bühne stand, weiß, was damit gemeint ist. Und jeder, der schon einmal eine live gedachte Performance online machte, weiß das erst recht, halt umgekehrt.
Es ist ein Geben und ein Empfangen. Nicht ein Geben und Nehmen. Und schon gar nicht ein Geben, um zu empfangen. Ganz und gar nicht! Geben aus vollem, ganzem Herzen. Empfangen mit freudvoller Dankbarkeit, among the fields of gold.
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Schönheit durch Wohlklang, freudvolle Erlebnisse, staunend machende Virtuosität, den Funken des Göttlichen in sich spüren, Stimmungen so oder so oder so – die magische Wirkung von Musik hat viele Facetten, und doch übertrifft nichts davon das einzigartige Gefühl von Verbundenheit, wenn Menschen miteinander echte, handgemachte Musik erleben. Als Publikum und noch viel mehr, im gemeinsamen Musizieren.
Unterrichtseinheit Numero 2 vom ehemaligen Lehrer Gordon Sumner und seinen Mitarbeitern: Damit so etwas stattfinden kann, braucht’s eine ganz besondere Fähigkeit der Protagonisten, nämlich das Zuhören. Den anderen auf der Bühne zumal, und dem Publikum mit dem inneren Ohr. Wer miteinander Musik macht, erfährt so eine tiefe Wahrheit des Lebens: Verbundenheit entsteht nur dann, wenn man einander zuhört. Wenn man zuhört, nicht, um zu antworten und zu übertönen, sondern um zu verstehen und um scheinbare Gegensätze als das ergänzende Komplementäre zu erleben, sie zu integrieren. Dann verschwistern sich die Seelen.
Gleichgesinnte und Gleichgestimmte verbinden sich im Zauber des Augenblicks, in ihrer Kunstfertigkeit, durch Inspiration. Sie lassen so gemeinsam ein großes Ganzes entstehen – zur eigenen Erbauung und zur Erbauung aller, die daran teilhaben. Der Mensch als einziges Lebewesen, das Schönheit um ihrer selbst willen erschaffen kann. Viel mehr noch erschaffen muss, damit seine Seele gesund bleibt.
Sowas gibt’s nicht nur in der Musik. Auch im Mannschaftssport funktioniert das. Ja, sogar in den Einzelsportarten, die zwar wettkampfmäßig in aller Regel von Egomaniacs ausgeübt werden und dennoch die starke Wahrheit einer nötigen Verbundenheit in sich tragen. Ohne Feld der Mitbewerber wäre nämlich keine Weltmeisterin Weltmeisterin. Ohne Feld der Mitbewerber wäre kein Rekordhalter Rekordhalter. Ja, selbst im Einzelkämpfer-Wettkampf brauchen wir die anderen. Als Maßstab, aber mehr noch als Ansporn.
Was wäre also, wenn wir die anderen, die Antagonisten in unserer eigenen Geschichte, generell mit neuen Augen sehen? Nicht als Gegner, Widersacher oder gar Feinde, sondern als Rivalen? Wenn wir als Ziel von Wettkämpfen nicht mehr das Besiegen, sondern das einander Beflügeln denken? Schließlich gilt in allen Bereichen dasselbe eherne Übungsprinzip wie im Sport und der Musik: trainiere mit anderen, die besser sind als du. So lernst du am meisten. Und: am meisten lernt der Lehrer. Geben und Empfangen also.
„Was wäre, wenn …“ – so beginnen viele Autoren ihre Überlegungen, wenn sie eine Geschichte schreiben. Also: „Was wäre, wenn wir das, was unsere Arbeit ist, was unsere Unternehmen tun, was Business ist und das, was man ,die Wirtschaft‘ nennt, auch aus dieser Perspektive betrachten?“ – Rock’n’Roll, oder?
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„I am because you are“ sagt uns die afrikanische Philosophie der Verbundenheit Ubuntu, die unter anderem Desmond Tutus Wirken prägte. „I am because you are“ postulierte Thích Nhất Hạnh, der Lehrer des angewandten Buddhismus. „Ich bin durch dich so ich“, schreibt uns der Benediktinermönch David Steindl-Rast ins Stammbuch. Diese Liste lässt sich quer durch Kulturen und Epochen fortsetzen, und siehe: am Ende erzählen wir uns alle überall seit immer dieselbe Geschichte über die einander bedingende Verbundenheit. Und wir handeln allzu oft frontal dagegen, weil wir mit der Geschichte des Übertrumpfens den feinen Klang aus unserem Inneren übertönen.
In der aktuellen brutalen Lebenswirklichkeit drängt wenig Grund zur Hoffnung auf Verbesserung an den vorderen Bühnenrand, und auch Stings Song „Russians“ ist seit bald 40 Jahren auf Tournee:
We share the same biology, regardless of ideology
But what might save us, me and you
Is if the Russians love their children too
Doch sollten wir nichts unversucht lassen, diese ur-alte Geschichte der Verbundenheit, des Ausgleichs und der Integration – ja: der antagonistischen Kooperation – zum Thema einer Neuen Geschichte zu machen, der New Story, die wir als Menschen, Unternehmen und Gesellschaft so dringend brauchen. Diese New Story handelt vom einander Beflügeln, vom Ermächtigen, vom aufeinander Zugehen anstatt vom einander Besiegen, vom Eliminieren, vom aufeinander Losgehen. Sie handelt von der Einsicht, dass wir als die Guten in unserer eigenen Geschichte in der Story der anderen die Gegner sind und damit ein Jeder-gegen-Jeden so lange die Welt mit einer Blutspur durchfurchen wird, bis wir sehen, erkennen und verstehen. Gelegenheiten dafür gibt es reichlich. Sogar bei einem Open-Air-Konzert.
„The Lord gave us music to bring people together“, sagte Gladys Presley, die Mutter des King of Rock’n’Roll, in ELVIS. (Unbedingt ansehen!) Aber nicht nur die Musik bringt uns zusammen. Wir können in unseren Jobs, im Privaten, in unserem zivilgesellschaftlichen Engagement, wo immer wir hier und heute sind – im täglichen praktischen Handeln – dieser Neuen Geschichte der Verbundenheit ihren großen Auftritt verschaffen und zum Dauerbrenner einer Zukunft machen, in der wir leben wollen. Und können. Every little thing we do is magic.
Apropos: Every breath you take, I’ll be watching you! Oder anders gesagt: Das hier ist der einzige Newsletter der Welt, der deine Gedanken lesen kann. Deshalb weiß ich auch, was du jetzt gerade denkst: „Was kann ich allein denn schon machen?“ Stimmt’s?
Die Antwort darauf geben uns zwei weise Damen. Margaret Mead ist die eine: „Never doubt that a small group of thoughtful committed citizens can change the world*: indeed it’s the only thing that ever has.“
Die andere ist meine Großmutter, die alte Story Dudette, die Sting nach einer gemeinsamen Yoga-Stunde sein spitznamengebendes gelb-schwarz-gestreiftes Pullöverchen mit den Worten überstreifte: „New Story. New Glory.“
* „Change the world“ bitte im Sinne von Greta Thunberg, nicht von Wladimir Putin …