Dieser Tage saß ich beim CEO eines grandiosen Bio-Tech-Start-ups, das knapp davorsteht, dem Krebs den Teppich unter seinen dreckigen Füßen wegzuziehen. Er erzählt mir dabei über das Prinzip Krebs, das er einst besser verstehen lernte, als ihm lieb war, und er beschreibt das so klar und einleuchtend, dass ich – völlig unwissenschaftlich zumal – verstand, dass Krebs ansteckend ist.
Das Elend wuchert und wuchert aus.
ZU FAUL ZUM WEITERLESEN? DANN HÖR MIR ZU:
Im Blogcast lese ich Dir diesen aktuellen Blogartikel vor. Mit Betonung, versteht sich!
Es befällt das Umfeld der Erkrankten, ihre Familien; Menschen, die ihnen nahestehen, und so weiter und immer weiter. Es ergreift sie nicht direkt organisch, aber in der Seelenverbindung, die eben vom Wildwuchs des Tumors allzu oft überdehnt wird, regelmäßig ausgezehrt und zerquetscht, und also dann auch wieder indirekt organisch was anrichtet. Naturgemäß.
Krebs ließe sich verhindern, sagte mir der CEO. Nicht auslöschen, aber verhindern, wenn unser Immunsystem viel, viel stärker wäre, oder nicht so überlastet und abgelenkt durch alles, was wir ihm zumuten, dem Immunsystem. Dann könnte es nämlich den Zell-Müll abtransportieren, solange er noch Zell-Müll ist und nicht Krebs heißt, und niemand würde groß was bemerken, oder gar daran leiden.
Er erklärte mir, dass es so viele Krebsarten gibt, dass sich keiner wirklich auskennt, und dass jede davon eine eigene Therapie braucht. Wenn unser Immunsystem aber geboostet wird und so stark wäre und fokussiert, dass es schon vorher erledigen kann, was sonst komplizierte Therapien mit Wille, Wut und Hoffnung unterstützt im besten Fall vermögen, wäre das alles nicht nötig. So hab’ ich das verstanden.
Und am Heimweg hab’ ich noch was verstanden:
Unsere Zeit, unsere Welt – unsere Gesellschaft – hat Krebs, weil unser Immunsystem völlig überlastet und abgelenkt ist von allem, was wir uns und ihm zumuten, dem Immunsystem unseres Zusammenlebens.
Der Müll, den unser Gesamtorganismus ohne große Aufregung verschmerzen könnte, wuchert also aus, wächst und wächst und wächst, wächst über uns hinaus, und wächst uns längst schon über den Kopf.
Zeitgeister.
Manchmal nennen wir das „das System“, manchmal „der Fortschritt“ oder so irgendwie, manchmal sagen wir irgendwas mit 4.0 dahinter dazu, damit das Kind einen Namen hat, der nach Naturgesetz & Schicksal riecht oder ein bissel nötig oder erstrebenswert, und wir also eine Ausrede kriegen, hinter der wir uns verschanzen können.
In Wahrheit wuchert da etwas aus uns hinaus und meuchlings wieder hinein, und unser Immunsystem steht mit ratlosem Schulterzucken in den Augen da, weil etwas mächtig aus dem Ruder gelaufen ist, aber kein Kind da war, das die nackte Wahrheit beim Namen nannte: „Die ich rief, die Geister, werd’ ich nun nicht los!“
Was hier passiert ist, könnte man, bevor’s in Biologie noch dran war, bereits im Deutschunterricht mitkriegen, wenn man Goethe nicht mit ö schreibt und einem jemand „Der Zauberlehrling“ jenseits von drei- und vierhebigen Trochäen ins heutige Leben projiziert. Oder aufs iPad, meinetwegen. Dann sieht ja jeder, wo die Spiegel hängen, in denen man erkennt, was einem nicht besonders gut gefällt. Sich selbst zum Beispiel.
Und wenn du das Glück hast, dass dir dabei jemand sagt, wie du aus diesem Bild ein besseres machen kannst, dann hast du kein Glück, sondern endlich das, was dir zusteht: eine*n echten Lehrer*in an deiner Seite, der dir ein Stückel Weg zu deiner Wahrheit ausleuchtet. Gehen musst du ihn eh selber, aber stolpern musst du nicht. Das hätten andere schon vor dir getan, vermutlich auch Göte, und dir etwas darüber aufgeschrieben.
Zauberwörter.
Das, was wir verstehen, geben wir weiter an die kommenden Generationen. Jenseits von Fachwissen und Expertise – in unseren Geschichten, Mythen, Storys – in Sachbüchern, die anstoßen, in Theaterstücken, die vor Augen führen, in Filmen, die mit bewegten Bildern bewegen, mit den Generationen überdauernden Wahrheiten in Erzählungen zwischen Buchdeckeln, als Lyrik und Lyrics.
Joseph von Eichendorff hat vor bald 200 Jahren eine „Wünschelrute“ an uns weitergegeben:
Schläft ein Lied in allen Dingen,
die da träumen fort und fort,
und die Welt hebt an zu singen,
triffst du nur das Zauberwort.
Was ist das Zauberwort unserer Zeit, und was wecken wir damit auf? Welche Geister rufen wir wach? Und was werden wir, die wir hier und heute System & Fortschritt formen, dann einmal weitergeben? Will das jemand haben?
Was haben wir verstanden, von dem, was an uns weitergegeben wurde? Haben wir genug verstanden, oder überhaupt etwas?
Und wenn ja, warum kann man dann keinen Schritt mehr tun, ohne dass an der nächsten Ecke jemand
1. Achtsamkeit und
2. Wertschätzung einfordert, während er
3. Purpose und
4. Sinn sucht?
Beziehungsweise, wenn er das alles schon selbst nicht findet, dir wenigstens einen Onlinekurs zum Vorzugspreis anbietet, in dem du unter seiner kundigen Anleitung das alles finden kannst, nachdem dir das im Gratis-Webinar unter Garantie nicht gelungen ist?
Sind diese Buzzwords wirklich unsere Zauberwörter, die wir treffen müssen, damit die Welt zu singen anhebt?
Ver-lernen.
Wenn das wirklich so ist, dann haben wir eine ganze Menge nicht verstanden, denn Achtsamkeit, Wertschätzung, Purpose und Sinn wären doch die Grundfunktionen des Immunsystems unseres (Zusammen-)Lebens. – Ja, mit dem Immunsystem verhält es sich wie mit dem elektrischen Strom: du bemerkst es erst, wenn es ausfällt.
Dazu habe ich mir einen Satz gemerkt, den uns Gloria Steinem weitergegeben hat: „The first problem for all of us, men and women, is not to learn, but to unlearn.“ Zum Glück hat Antisthenes schon 400 v. Chr. „Das Nützlichste, was wir im Leben lernen können, ist zu verlernen, was unwahr ist.“ weiter egeben.
Achtsamkeit und Wertschätzung müssten wir gar nicht lernen, sondern das Gegenteil ver-lernen, also im Sinne des klugen Dalai Lama verlernen, Dinge zu lieben und Menschen zu benutzen. Schläft ein Lied in allen Menschen, quasi: „Purpose & Sinn“ heißt es.
Purpose & Sinn – was immer das für jeden von uns konkret bedeutet – erzeugt unsere innere Geschichte, die wir uns selbst erzählen. Wer bin ich, und wenn ja, warum? Unsere Werte sind die Zauberwörter, mit denen wir sie aufwecken – Zauberwerte …
Wenn man bedenkt, dass es rund 130 Werte gibt und bislang etwa 108 Milliarden Menschen auf Erden waren, dann kann sogar ich mir ausrechnen, dass einige von uns mit denselben Werten auskommen müssen. Die Erkenntnis, dass die meisten von uns dieselben Zauberwörter kennen und somit ganz automatisch ein gemeinsames Lied anstimmen … können …, liegt auf der Hand.
Wachstum ist übrigens kein Wert, Wachsamkeit hingegen schon, und ein vitaler Bestandteil unseres sozialen Immunsystems noch dazu. Wenn die Wachsamkeit gut funktioniert, sind wir augenblicklich alarmiert, sobald sich „Mehr“ in „Zuviel“ verwandelt, zu wuchern beginnt und das Lied in den Dingen einschläft.
Falls wir dazu wirklich noch etwas Neues wissen müssen, empfiehlt sich der Blick in alte Bücher.
Verstehen.
„Moby Dick“ von Herman Melville ist eine dieser ewig gültigen Erzählungen, inspiriert von einer wahren Geschichte, über Generationen weitergegeben, hat sie seit 1851 nichts an Aktualität verloren. Eher im Gegenteil: geht’s doch um den Menschen, der sich in seiner Hybris zum Kampf gegen die Natur aufschwingt und sein Missverständnis von der Erde als Untertan in die Tat umsetzen will, koste es, was es wolle. Die Natur als Feind, als Quelle für Ausbeutung und Reichtum. Achtsamkeit und Wertschätzung kommen da auf fast jeder Seite vor, oder eben nicht …
Und dann nimmt uns „Moby Dick“ auch mit auf einer Welle der Erkenntnisflut auch über Führung und Verführung. Über Verführung in einen Krieg hinein, getrieben von Wahnsinn und Hass auf den Leviathan, auf das identifizierte und benannte Böse, wie der Erzähler des Buches beschreibt: „Ich, Ishmael, war einer in dieser Mannschaft, mein Racheschrei war mit den anderen aufgestiegen, um des Grauens meiner Seele willen. Mit gierigem Ohr vernahm ich die Geschichte von dem Ungeheuer, dem ich und alle anderen Rache und Verderben gelobt.“ – Aus der Geschichte nichts gelernt?
Oder die „Odyssee“, in der uns Homer unter anderem über die Irrfahrten eines zielstrebigen Menschen erzählt, wieder über Führung und Verführung, dann über List und Lust und Last. Wenn du das Kapitel über den verführerischen Gesang der Sirenen liest, fragst du dich, woher Homer so viel über Social Media wusste, aber wir immer noch viel zu wenig.
Oder die „König Artus“-Legende, die in all ihren Varianten immer wieder über die Unausweichlichkeit von Berufung berichtet. Über den Ruf, der oft Menschen, die keiner auf der Liste hatte, in einer atemberaubenden Größe und Wucht ereilt, und von der Annahme dieses Rufes, von der Ur-Aufgabe des Menschen, dort Frieden und Ordnung zu stiften, wo Krieg und Chaos wüten. – Wie’s aussieht, gab’s Sinn und Purpose bereits im Mittelalter …
Wir geben uns in unseren Geschichten weiter, und es sind immer wieder dieselben Geschichten, neu erzählt, neu verstanden, und allzu oft eben nicht.
Rock & Soul.
Erkenntnis kann in epischer Dimension ausgeliefert werden, darf aber auch immer wieder gerne leichtfüßig daherkommen, denn gegen ein in gut gelaunte Unterhaltung verpacktes „Aha!“ ist überhaupt nichts einzuwenden.
Als Autor, der sich mit großer Freude auch als schnurrendes Rad im Entertainment-Business dreht, ist mir das für meine Arbeit stets Grundsatz, weil ich der Überzeugung bin, dass selbst in scheinbar profanen Dingen wie Musicals Lieder schlummern, die in Menschen noch nachklingen können, wenn die Ohrwürmer längst verstummt sind. Aktuell läuft im Wiener Metropol „Rock my Soul“ – das bereits siebte Musical, das Peter Hofbauer und ich aus unseren zu Füllfedern mutierten Wünschelruten schüttelten.
Nach dem fulminanten Anfangserfolg und der Corona-bedingten Vollbremsung des Stückes freuen sich nun alle ein drittes Tanzbein, endlich wieder Live-Theater zu genießen. Im Flower-Power-Sound der 70er gibt’s hier eine Geschichte über große Träume, noch größere Erwartungen und voreilige Versprechungen, die in kleinen Welten mitunter zu wenig Platz haben und deshalb zerplatzen. Es erzählt aber auch darüber, dass wir uns aus den Bruchstücken wieder neue Träume bauen können, und darüber, dass ein Team mehr ist als seine Mitglieder und Führung mehr ist als kommandieren. Die Star-besetzte Wiederaufnahme – Andy Lee Lang, Conny Mooswalder, Vincent Bueno, Stella Jones u. a. – läuft mal bis 5. November. Einen Zehn-Minuten-Trailer von „Rock my Soul“ kannst du hier sehen; Tickets gibt’s hier.
Wanderbücher.
Wenn wir über gute Laune reden, dann ist der Weg in die HUMORdination von Dr. Roman Szeliga nicht weit. Es ist mir ein besonderes Vergnügen, mit ihm, Österreichs Humor-Experten Nr. 1, sowie mit Sigrid Tschiedl, der Rampenfrau in Person, in unserem Projekt „MindBusters – Mutmachen zum Mitmachen” zusammenzuarbeiten und als Extra von ihm zu lernen und dabei seine Freundschaft zu genießen.
Nicht nur als Zauberer ist Roman stets für eine Überraschung gut. Bei unserem letzten gemeinsamen Auftritt überraschte er mich mit einem besonderen Geschenk, das er in seinem Archiv (oder in seinem Ärmel?) fand: „The Story-Teller“ vom Oktober 1928 wurde ihm von seiner Tante Evelyn weitergegeben und landete nun bei The Story Dude, also mitten in meinem Herzen, und da bleibt er. Danke, Roman!
Geschichten und Bücher, die wir gelesen haben, sind Teil unserer Biografie. Manche Menschen geben gelesene Bücher weiter, ich behalte sie in aller Regel auf. Weil jede Regel eine Ausnahme braucht, gibt’s somit für diese Regel zwei.
Ausnahme Nummer eins steht bei mir am Straßeneck in Form des Offenen Bücherschranks. Dorthin wandern manche meiner Bücher, zumal jene, die ich doppelt habe. Und ich wünsche mir, dass meine dort gemachten Einlagen bald anderswo anwachsen und reiche Früchte tragen.
Das Teil ist übrigens nicht deshalb so schief, weil ich allzu schwere Kost hineinlegte, sondern weil das offenbar die Idee des Konstrukteurs war. Vielleicht als Metapher drauf, dass manche Menschen beim Denken den Kopf schief halten, damit das bissel vorrätige Hirnschmalz zusammenläuft? Was weiß denn ich …
Ausnahme Nummer zwei steht in Wieselburg, und zwar kerzengerade. Vor einiger Zeit habe ich ja das Kapitel Werbung mit vielem Dank für die spannenden Jahrzehnte voller Glücksmomente für mich geschlossen, wollte aber meine Werbebücher-Bibliothek nicht oben in Regal verdorren, sondern als Inspirationsdünger wirken lassen und deshalb an der richtigen Stelle einackern.
Ich bin froh, dass das ausgerechnet in der neuen Bibliothek der Abteilung „Marketing & Sustainable Innovation“ am Campus Wieselburg der Fachhochschule Wiener Neustadt möglich wurde. Die Leiterin der Bibliothek, Elke Gosch, und Reinhard Herok, Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Green Marketing, haben mit mir höchstpersönlich Buchkisten geschleppt, bis mehrere Bandscheiben pro Person knirschten, und vergessen nun hoffentlich übers Bücherschnüffeln nicht auf ihre wichtigen Jobs und auf all das Werte-volle Wissen, das sie weitergeben dürfen.
Changemaker.
Sustainable Innovation ist mir das Wichtigste, was Unternehmen und Unternehmer angesichts der von vielfältigen Notwendigkeiten durchwachsenen Lage unseres Planeten weitergeben können, damit sie nicht auswuchern und unheilbar werden. Sustainable Innovation ist so etwas wie ein Booster fürs global-soziale Immunsystem, in dem jede*r als Aktivzelle wirken kann, denn unternehmerische Menschen müssen nicht ausnahmslos als Entrepreneure wirken, sie können auch als Intrapreneure innerhalb ihrer Organisationen heftig auf die Pauke hauen: Everyone a Changemaker. Darüber und über Mentor*innen und Unternehmertum, das allen nützt, konnte ich mich mit Marie Ringler unterhalten, und du kannst in der aktuellen Folge meines Podcasts bei diesem Gespräch dabei sein.
Marie Ringler ist eine, die für Social Entrepreneurship brennt. Als Gründerin von Ashoka in Österreich und mittlerweile Europa-Direktorin dieses weltweit tätigen Netzwerks kennt sie die Bedürfnisse und die Hoffnungen der steigenden Zahl von Sozial-Unternehmer*innen, also jener Menschen, die mit unternehmerischem Herangehen gesellschaftlich notwendige Verbesserungen angehen – Unternehmer*innen, die ihren Erfolg zuerst an ihrer Wirkung in positiver Veränderung für die Gesellschaft messen und nicht an Gewinn und Shareholder Value.
Als Mitglied des Mentor*innen-Panels in der TV-Sendung „2 Minuten – 2 Mentoren“ bringt sie deshalb allererste Expertise ein, wenn junge Visionäre ihre großen Ideen präsentieren und nach Unterstützern suchen.
In meinem Podcast erzählt sie, was hinter Social Entrepreneurship steckt und weshalb das einer der wirkungsvollsten Hebel ist, die es auf dieser Welt zu hebeln gibt. Changemaker, aufgepasst!
Schläft ein Changemaker in everyone,
die da träumen fort und fort,
und die Welt hebt an zu singen,
triffst du nur das Zauberwort.
würde Joseph von Eichendorff sagen, wenn er besser Englisch könnte.
Changemaker – auf dieses Zauberwort zeigt unsere Wünschelrute möglicherweise in einer neuen Geschichte, die wir uns selbst und einander erzählen, eine New Story, die wir lebendig machen. Sie handelt von uns allen, von dem, was uns verbindet, und nicht von dem, was uns trennt, und deshalb hebt die Welt zu singen an. Die New Story handelt von dem, was wir heilen, von dem, was wir weitergeben, damit es so behutsam wie kraftvoll weiterwächst und nicht um seiner selbst willen wuchert.
Diese neue Geschichte könnte weniger davon erzählen, was wir erreicht, dafür aber mehr davon, was wir erkannt haben. Diese neue Geschichte erzählt weniger davon, was wir verwirklicht, aber mehr davon, wie wir uns verwandelt haben. Sie handelt nicht davon, was war, sondern von unserer Wahrheit. Das ist unsere innere Geschichte, die Story, die in uns allen schläft. Sie boostet unser Immunsystem gegen Verführbarkeit, sie schützt unsere Würde, und sie ist letztlich alles – und auch das Beste –, was wir weitergeben können, wenn wir sie denn aufwecken …
Meine Großmutter, die alte Story Dudette, hat über diese Dinge ein Lied geschrieben. Es heißt „No Story. No Glory.“