Weihnachtskampagnen haben sich mittlerweile zu einem Phänomen in der Marketingkommunikation ausgewachsen. Standen früher hauptsächlich Geschenkideen zum Fest im Mittelpunkt, so drückt nunmehr eine Menge an Marken im Advent auf die Tube und meist auch auf die Tränendrüse, weil die Gelegenheit durch jahreszeitlich bedingte offene Herzen und durch den stets in griffweite befindlichen Cocktail aus Emotion, Melancholie und Sentimentalität keinesfalls ungenützt vorbeiziehen darf, auch die Brieftasche zu öffnen und die Menschen geschmeidig von einer Extraportion ihres Geldes zu trennen.
In den Umstand, dass Weihnachten ein katholisches Fest ist, wollen wir uns angesichts der möglichen Umsätze sowieso nicht allzu verbissen verbeißen, oder?
Ganz generell stellt sich sowieso die Frage, ob man das, was alle tun, auch tun soll oder genau deshalb eben nicht. Beides stimmt, vorausgesetzt, man macht das Richtige richtig. Dazu habe ich mir einen Satz von Mr. Miyagi aus Karate Kid gemerkt: „No good to fight. But if must fight … win!“
Das wird über die Jahre nicht einfacher, denn der anlassbezogene Themenbogen ist ja nicht allzu breit: Schenken, Zeit nehmen, Familie, Liebe, Gemeinsamkeit, an andere denken, die Schwächsten nicht vergessen, Besinnlichkeit, Herz öffnen, Friede & Ruhe verbreiten, leuchtende Kinderaugen … damit ist schon ziemlich alles abgeräumt, was da so am Weihnachtsbaum baumelt.
Das macht aber nichts. Da müssen sich eben pfiffige Köpfe etwas Neues dazu einfallen lassen, wofür haben wir sie sonst? Dieses Problem gibt’s auch anderswo: Schätzungsweise handeln ja bereits jetzt gut 90 Prozent der Literatur und der Popmusik von Liebe, und vermutlich wird dennoch immer wieder allerlei erscheinen, was wir noch nicht kennen …
Achtung: Die Ideen-Falle liegt bereit! Oder: Was du in deiner Weihnachtskampagne nicht tun solltest!
Verliebe dich nicht in eine emotionale Idee und lass dich nicht von der Emotion blenden. Denn wie immer gilt das ewige Mantra: Eine Idee ist noch nicht gut, nur weil sie eine Idee ist. Und eine gute Idee ist noch nicht brauchbar, nur weil sie gut ist. Amen.
Am besten schreiben sich das die Werbekreativen auf Erden, wo wir Menschen sind, in dicken Lettern hinter die Ohren und denken hoffentlich wenigstens im nächsten Jahr daran. In diesem taten sie das offenbar nicht.
Denn was in die Weihnachtskampagnen vor allem in Form von Filmen an Geld hineingepumpt wird, macht mich wie alle Jahre wieder auch heuer sprachlos. Noch sprachloser macht mich allerdings, wie viel davon gnadenlos am Ziel vorbei, direkt in den Kanal alles Vergessenen rauscht. Da werden kommunikative Blendgranaten abgefeuert, dass es ein Freude ist.
Frank Sinatra meinte einmal: „Las Vegas ist der einzige Ort, den ich kenne, an dem Geld sprechen kann – es sagt: ,Leb wohl‘.“ Ol’ Blue Eyes kannte offenbar Werbung nicht.
Ich glaube, es gibt außer der Werbebranche keine zweite, in der sich so viele hochbegabte, intelligente, kreative Menschen unter Einsatz abartiger Geldmengen tagein, tagaus mit aller Kraft darum bemühen – excuse my French –, wertlosen Scheißdreck zu produzieren. Und das mit monatelangem Anlauf. Halleluja!
Da hilft nicht einmal mehr ein Weihnachtswunder.
Was macht eine gute Weihnachtskampagne aus?
Willst Du eine erfolgreiche Weihnachtskampagne haben, gelten ein paar Grundregeln, die schon das ganze Jahr über gelten. Da gibt es keine Weihnachtsamnestie, nur weil es so schön emotional ist.
- Aktiviere bei allem, was du tust, deine Brandstory, also die Grundwerte deiner Marke.
- Teile die gemeinsame Geschichte (= die gemeinsamen Werte) von dir und deinem Publikum.
- Wenn ein Produkt oder eine Dienstleistung auftauchen, dann muss dieses Ding eine aktive Rolle spielen, z. B. etwas ermöglichen oder auslösen oder verbinden oder …
- Der Härtetest: Wenn du am Ende nicht ganz logisch den Claim oder das Mission Statement deiner Marke als Fortsetzung der Geschichte zeigen kannst, stimmt deine Story nicht, und zwar ohne Ausnahme. – Weiter denken! Neu machen!
Der Härtetest ist etwas verdammt Gemeines. Er zielt auf das, was ich Intended Audience Response nenne: Was soll dein Publikum, nachdem es Kontakt mit deinem Auftritt hatte, verstanden haben und dir in einer – auch fiktiven – qualitativen Marktforschung zurückspielen? Da muss bei Image-Kampagnen unbedingt etwas von deinen Werten vorkommen. Was denn sonst?
Die besten Weihnachtskampagnen 2018
Ich hab’ mir in den letzten Wochen ohne Ende heimische und internationale Weihnachtswerbefilme angesehen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Fast jeder Film war erstklassig produziert und inszeniert, da wurde nicht gespart. Viele der Filme zeigten hinreißende Geschichten mit höchstem Emotionsfaktor, oft auch sehr gut erzählt.
Allerdings bin ich dabei auf keinen einzigen gestoßen, der wirklich sauber zu Ende gedacht war, denn praktisch keine einzige Produktion inszenierte oder aktivierte die Markenwerte.
Spätestens, wenn der Härtetest – das Mission Statement der Marke als Fortsetzung der Geschichte – ansteht, knickt alles ein.
Die aller-allermeisten sind so weit weg von ihren Markenwerten und ihrer Brandstory, dass sie sogar darauf verzichten, den Claim unters Logo zu schreiben. Darauf verzichten müssen.
Warum machen diese Unternehmen das?
Dazu gibt es unterschiedliche Vermutungen. Ich denke, am nächsten an der Wahrheit liegt, dass sie es aus denselben Gründen machen, aus denen sich Hunde an ihren Testikeln lecken: weil sie’s können.
Natürlich werden bei diesen Filmen auch Erfolge gemessen. Klickraten, Shares und Likes und Weihnachtsemotion und Sympathie und Bekanntheit und … – Aber, wozu?
Die meisten dieser Marken haben sowieso eine Bekanntheit an der 100-Prozent-Grenze und Sympathiewerte wie Donald Trump beim Ku-Klux-Klan. Da braucht es keine Verbesserung.
Die Markenwerte hingegen kann man gar nicht oft genug aktivieren. Aktivieren! Deshalb macht man ja Image-Kampagnen.
Ein Geschenk ist mehr als ein Geschenk.
In diesem Jahr sind mir nur zwei Auftritte untergekommen, die tatsächlich wenigstens so halbwegs was für die Marke und ihre Werte machen.
Da wäre einmal ein Animationsfilm der österreichischen „Erste“, die #glaubandich als Kommunikationsmission aus der Brandmission „Eine Bank, die an Menschen glaubt“ entwickelte. Daraus entstand der wirklich gut gemachte Film Believe in Christmas, der hier einzahlt, obwohl er schon verdammt weit weg ist von allem, was mit Bank im weitesten Sinn in Verbindung gebracht werden kann. Aber sei’s drum …
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Im Konzert der mit Spannung erwarteten Weihnachtsspots geben traditionellerweise John Lewis & Partners den Ton an. In diesem Jahr ist das der zweite mir bekannte Auftritt, der tatsächlich etwas für die Marke tut, wenn auch nicht so wirklich, weil …
In einer Zeitreise zu Your Song begleiten wir Superstar Elton John durch sein Leben zurück in seine Kindheit, bis zu jenem Weihnachtsmorgen, an dem er, damals noch als der kleine Reginald Dwight, sein erstes Piano bekam. Dann der Claim A gift is more than a gift.
https://youtu.be/mNbSgMEZ_Tw
Bei Feinspitzen der englischen Sprache lässt die doppelte Bedeutung von gift als Geschenk und Begabung ein kleines Glöckchen erklingen. Und wer dann ein wenig weiter wühlt – oder es als in England heimisch sowieso weiß –, kennt auch das Programm Bringing Skills to Life von John Lewis, mit dem die Company durch unterschiedliche Maßnahmen die Begabungen von Kindern fördert, durch Musik zum Beispiel.
Somit schließt sich – theoretisch – der Kreis zu Elton Johns Piano, den Weihnachtsgeschenken und den Angeboten in den Shops, die mehr sein könnten als halt eben ein Geschenk – nämlich eine Inspiration fürs Leben.
Zugegeben, das ist einigermaßen anspruchsvoll gedrechselt, wäre aber eine wundervolle Möglichkeit, aus der Banalität der ewig heuchlerischen Weihnachtsduselei zwischen Oh Du fröhliche … und Betroffenheits-Sadvertising tatsächlich in die Markenwerte und das Produkt zu gehen und dabei gleichzeitig sogar dem kaufrauschigen Weihnachtsmann ein Inspirationszuckerl in den Bart zu kleben.
Das Kleine Dreimaldrei für Brand Purpose.
Wenn du mit deiner Brandstory nicht auf halbem Weg liegenbleiben willst, dann schreib dir bitte „Das Kleine Dreimaldrei für Marken mit Storypower“ auf einen Zettel und ziehe ihn spätestens dann raus, wenn du an deiner neuen Weihnachtskampagne bastelst. Das gilt übrigens auch dann, wenn du keinen Film mit Elton John drehst, sondern kleinere Kekse bäckst und auch nicht nur zur Weihnachtszeit, sondern immer.
- Dein Brand Purpose muss deinem Unternehmen ein authentisches Anliegen sein: Würdest Du dich auch dafür stark machen, ohne dass es deiner Marke unmittelbaren Werbe-Nutzen bringt?
- Ein Brand Purpose muss einen Beitrag zum Nutzen deines Publikums liefern.
- Dein Publikum kann und muss damit aktiviert werden und darf nicht passiver Beobachter bleiben. So wird es tragender Teil des Brand Purpose.
Wenn du dein Publikum mit Dingen inspirierst, die in seinem Leben Nutzen bringen, dann musst du es nicht verzweifelt verfolgen, sondern die Menschen werden zu dir kommen. Die Voraussetzung dafür ist, dass deine Marke die nächsten drei einfachen Prinzipien aktiviert:
- Welchen Kernwert spreche ich nachhaltig an, also: Welche Sehnsucht der Menschen teile ich?
- Wodurch kann ich diese Sehnsucht gleichermaßen stillen und nähren?
- Was kann ich anregen, verteilen oder initiieren, damit es den Menschen so wichtig ist, dass sie es weiterverteilen, weil sie dadurch mehr über sich selbst erzählen als über mich?
Nach wie vor interessiert sich aber niemand für deine Geschichte, sondern nur und ausschließlich für seine eigene. Deshalb:
- Deine Story kann niemals von deiner Marke und muss immer von deinem Publikum und seinen Werten und Sehnsüchten handeln.
- Deine Marke ist nicht der Held, deine Marke muss ihre Benutzer zum Helden machen.
- Damit deine Marke Quality Time mit ihrem Publikum bekommt, muss sie relevant sein. Das bedeutet … (siehe 1).
Dafür braucht es als Grundvoraussetzung oft eine neue Haltung im Unternehmen selbst und nicht nur viele junge Leute mit Snapchat-Account in der Marketingabteilung. Das beginnt bei der Unternehmensführung und umfasst alle Abteilungen, besonders natürlich Marketing, Vertrieb, Service und zuallererst Human Resources – Stichwort: Employer Branding.
Brandstory-Telling ist eben mehr als Werbung in der Verkleidung von Santa Claus, oder eine Dose voller Emotionslebkuchen, sonst funktioniert’s nicht.
Es geht um die geteilten Sehnsüchte und das Verweben der Werte von Marke und Publikum. Dann hält sich die Marke auch schon zurück und aktiviert viel mehr jede mögliche Plattform als Bühne für die Menschen.
Diese Chance hast du mit jedem Auftritt, und hätte John Lewis seine Geschichte zu Ende gedacht, hätten die guten Leute das ganz einfach auf die Beine stellen können. Es liegt schon alles griffbereit am Gabentisch.
Hier meine Idee für deine erfolgreiche Weihnachtskampagne.
Bereits für den Brief ans Christkind 2019 hier ein Gedanke, den ich als Geschenk in die Menge der Story Insider werfe, damit Ideen in die richtige Richtung laufen.
Hat Weihnachten nicht – über alle Konfessionen und Kulturen verbindend – eine ganz starke innere Symbolkraft und eine wertbasierte Story, an die wir uns erinnern sollten? Nämlich: Mit jedem Kind, das geboren wird, wird auch die Chance geboren, dass diese Welt ein Stück besser wird.
Weihnachten erzählt also die Geschichte von Hoffnung.
Das ist unsere gemeinsame Story: die lebendige Hoffnung auf eine bessere Welt.
Und: jeder Einzelne kann die Welt zum Besseren verändern. Genau genommen hat ja noch nie etwas anderes funktioniert, als das ein Einzelner sich in Bewegung setzte und andere begeisterte.
A gift is more than a gift. Manche verändern damit die Welt, vorausgesetzt, sie bekommen die Chance dazu. Manchmal sieht diese Chance wie ein Piano aus …
Wenn du es nun schaffst, diesen Wert zu interpretieren und mit den Werten deiner Marke, deines Unternehmens zu verbinden, dann hast du den Funken deiner speziellen kraftvollen Weihnachtsgeschichte entfacht.
Frage dich: Wie kann Hoffnung im Rahmen meiner Marke, meines Unternehmens, meiner Dienstleistung tatsächlich erlebbar werden? Wenn du diese Nuss knackst, hast du die perfekte Story. Wenn du sie exzellent erzählst, dann hast du auch eine wirkungsvolle Geschichte, die in den Menschen nachklingt und Resonanz erzeugt.
Damit triffst du auf eine brennende Sehnsucht der Menschen in unserer Zeit.
Wir brauchen ermutigende Geschichten – nicht nur zu Weihnachten.
Unsere verstörenden, verwirrenden Zeiten brauchen Storys, Storyteller und noch mehr: Story-Sharer, die Menschen dabei helfen, Übersicht und Orientierung zu finden und sie inspirieren, sich mit gemeinsamen Werten ihre eigenen Geschichten der Hoffnung auf ein Morgen zu bauen, in dem es uns allen besser geht als heute. Uns allen.
Die Fähigkeit, Geschichten zu erzählen, hat die Evolution in uns Menschen einprogrammiert. Diese wundersame Fähigkeit ist eines unserer mächtigsten Werkzeuge überhaupt.
Das Gute daran ist, dass jeder von uns über diese Fähigkeit verfügt und die Prinzipien von Story sehr einfach und universell gültig sind, über Generationen und Kulturen hinweg. So wurde schlussendlich der Neandertaler zum Homo sapiens – zum Homo narrans – Homo ludens – Homo faber …
Storys bringen uns respektvoll ins Gespräch mit unserem Publikum – wenn die Story für beide relevant ist. So macht man das heute, jenseits von Werbung.
Der effektive Erfolg von Storytelling – oder noch besser: Storysharing – ist überhaupt keine Frage der Unternehmensgröße, sondern schlicht eine Frage der Haltung und untern Strich eine unverzichtbare Notwendigkeit für erfolgreiche Kommunikation.
Egal ob Weltkonzern, ob KMU/kleine und mittlere Unternehmen, oder heldenhafte Einzelkämpfer als EPU/Einpersonenunternehmen – jeder Mensch, jede Marke, jedes Unternehmen braucht eine Story und muss für etwas stehen. Wenn nicht, bleibt dir nur noch ein einziges Thema, so oder so: der Preis. Und dann ist für dich bald nicht nur im Advent das große Fasten angesagt.
Allen, die also sagen: „Bei mir und meiner Marke geht das nicht!“ seien jene Worte ans Herz gelegt, die meine Großmutter, die alte Story Dudette, den Heiligen Drei Königen als Leitstern kometengleich leuchtend ans Firmament warf: „No Story. No Glory.“