Wenn wir unsere schlechten Angewohnheiten ablegen oder uns bessere zulegen wollen, scheitern wir regelmäßig, verlässlich und schnell. Dafür müssen wir nicht erst bis Neujahr warten. In den Fitnessstudios auf Erden ist vermutlich mittlerweile schon wieder mehr Platz als in der ersten Januar-Woche, der kurze Knick in den Umsatzkurven der Tabakindustrie ging längst in nikotinschwangerem Rauch auf, und der Cholesterinspiegel zeigt zufriedene, etwas zu rote Gesichter von Menschen, die gemütlich am Sofa sitzen, anstatt auf ihrer nagelneuen Yogamatte. Been there, done that. – Damit ich wenigstens einen einzigen guten Vorsatz durchhalte, hatte ich mir als Schüler ein Schild über meinen Schreibtisch gehängt: „Ab morgen wird gelernt!“ Das hat in der Tat prächtig funktioniert!
Jeder von uns kennt es aus tausendundeiner Erfahrung: nichts ist schwieriger, als sein Verhalten zu ändern, selbst dann, wenn unser Kopf brüllt: „Friss weniger Chips, sonst ist der Tag nicht mehr fern, an dem ein Harley-Davidson-Fahrer in deinem Schatten parkt!“ Ob ärztlicher Rat oder die Stimme der Vernunft, meist nicht einmal der zu kurze Gürtel bringen die zwingenden Argumente in die Diskussion mit dem inneren Schweinehund, das zu tun, was richtig/besser/klüger ist, weil es nun einmal das Allerschwierigste ist, sein Verhalten zu ändern.
Oh, Einhalt! Es gibt eine Sache, die noch schwieriger ist als das, nämlich: andere davon zu überzeugen, ihr Verhalten zu ändern.
zu faul zum weiterlesen? Dann hör mir zu:
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Im Blogcast lese ich Dir diesen aktuellen Blogartikel vor. Mit Betonung, versteht sich!
Jeder, der etwas in diese Richtung zu kommunizieren hat, kennt das. Jede Hausfrau, die zum hundertsten Mal die reichlich am Acker des gesamten Wohnraumes ausgebrachte Schmutzwäsche erntet, jede Personalchefin, die in leeren Stundenlisten der allerdings fleißigen Kollegen blättert, alle WG-Bewohner, die nach vollbrachter Tat ohne Toilettenpapier dastehen oder -sitzen und also trefflich über die Bedeutungsbreite der Redewendung „mit leeren Händen“ philosophieren können … Bahn statt Auto, Papier statt Plastik, dafür eReader statt Papier – die Liste ist endlos voll mit kleinen und großen Angelegenheiten. Und wenn man sich schließlich als Kommunikations- oder Marketing-Profi mit einer Aufgabe konfrontiert sieht, die Verhaltensänderung verlangt, weiß man, dass es jetzt richtig ernst wird.
Die beste Methode für Veränderung: Storytelling
Traditionen, Gewohnheiten, Verhalten und Images gehören zu den zähflüssigsten Stoffen in der Hexenküche unseres menschlichen Daseins. Das ist solange nicht verkehrt, bis man etwas daran verändern will.
Die beste Methode dafür bietet uns unsere einzigartige menschliche Fähigkeit zur Story – zu Storytelling und Storysharing. Mit Story – dem Schweizermesser unter den Kommunikationsmethoden – halten wir mehrere wirkungsvolle Werkzeuge gleichzeitig in der Hand. Drei davon sind in diesem Zusammenhang besonders dienlich:
- die Neu-Lupe
- der Perspektiven-Wechsler
- die Movement-Kurbel
Die Neu-Lupe.
Wenn du Änderung bewirken möchtest, vermeide in Deiner Erzählung das Wort „ändern“ in allen seinen Erscheinungsformen. Anders ist ein anderes Wort für Gift! Niemand will sich ändern. Ändern bedeutet, jedenfalls implizit, ich habe vorher etwas falsch gemacht. Ändern bedeutet Mühsal und Verzicht. Pfui!
Leg Deine Botschaft unter die Neu-Lupe, und plötzlich sieht sie groß und schön aus. Neu will man schon lieber haben als anders (auch wenn es durchaus Menschen gibt, denen alles Neue ein Gräuel ist, aber an die können wir sowieso mit nichts ran).
Nehmen wir zum Beispiel den Klassiker des Abnehmens: Wenn ich Dir sage: „Falls du fünf Kilo loswerden willst, dann gibt es dafür einen direkten und erfolgserprobten Weg. Ändere deine Ernährungsgewohnheiten, ändere deine Essenszeiten und ändere deine Bewegungsverhalten“, dann habe ich nichts anderes getan, als den Keim des Scheiterns gesät und gleich noch kräftig gedüngt. Du wirst dich mit krauser Stirn abwenden.
Wenn ich Dir aber sage: „Ich hab’ etwas ganz Neues entdeckt, das Bio-Power-Fettschmelz-Prinzip. Das funktioniert übrigens ganz einfach …“, dann spitzen sich Deine Ohren reflexartig. Dann bekommst du zwar dasselbe Ernährungs- und Bewegungs-Programm wie oben, aber eben neu und einfach serviert.
Neu wollen wir! Gerade in Bereichen, in denen wir schon viel vergeblich probiert haben. Und ein einfach als Topping lieben wir in unseren unübersichtlichen Welt sowieso. Anders muss draußen bleiben.
Der Perspektiven-Wechsler.
Einen Gedanken von John Steinbeck habe ich mir besonders gut gemerkt und lege ihn allen Story Insidern ans heiße Herz: „If a story is not about the hearer he will not listen … A great lasting story is about everyone or it will not last. The strange and foreign is not interesting – only the deeply personal and familiar.“
Deshalb darf eine Botschaft einer Marke, eines Anliegens, einer Person niemals vom Absender, sondern muss immer vom Publikum handeln. Das ist eine der zentralen Erfolgsachsen des Storytelling-Räderwerkes, um die sich alles dreht und um die herum sich Story-Telling in Story-Sharing verwandelt. Dort, wo Anliegen, Botschaften, Ideen des Absenders als gemeinsame Sehnsucht mit dem Publikum geteilt werden.
Eine der effizientesten Methoden, dies in der Umsetzung zu machen, ist nach meiner Erfahrung, das Publikum nicht wie althergebracht als Empfänger der Botschaft zu sehen, sondern viel besser als Träger der Botschaft zu gewinnen. Damit meine ich nicht (nur), echte Kunden als Testimonials einzusetzen, die ihre Erfahrung teilen. Das ist schon okay, aber nicht einmal die halbe Miete.
Echte Träger sind nicht nur Publikum, sondern eben tragender Teil eines großen Ganzen. Wenn dann diejenigen, die es betreffen soll, so begeistert von etwas sind, dass sie es als Teil ihrer Story stolz weitertragen, dann lässt sich der Erfolg einer Sache kaum mehr verhindern.
Damit klappt sich fast schon automatisch das dritte Tool aus unserem Set auf:
Die Movement-Kurbel.
Wenn ich meine Klienten – egal ob Einzelpersonen, Unternehmen oder Organisationen – beratend begleite, gehen wir gemeinsam auf Purpose Safari. Das ist eine einfache Methode, die ich im Rahmen von Hero Branding® entwickelt habe, damit tief verwurzelte und oft verborgene oder sogar vergessene Werte und Anliegen – also der innere Antrieb eines Unternehmens – klar sichtbar werden.
Mit der Beute unserer Purpose Safari machen wir dann oft ein Spiel mit dem Auftrag: Was würden wir tun, wenn wir rund um unser gefundenes Anliegen, rund um unsere Werte ein Movement auf die Beine stellen wollten, damit wir abseits allfälliger Business-Überlegungen diese Werte breit aktivieren?
Es ist für mich jedes Mal erstaunlich, welche großartigen Ideen dabei geboren werden. Das Mindeste, was dabei herauskommt, ist, dass alle Beteiligten die Kraft und die Bandbreite ihrer Werte besser verstehen und sehen, wie facettenreich das lebendig werden kann. Das alleine ist schon von unschätzbarem Wert, also das wichtigste Ziel der Übung, weil jeder versteht, wo die echte Bedeutung einer Marke ist, wo Unterscheidung durch Relevanz möglich wird, und somit die Beziehung mit dem Publikum verwurzelt ist und konkret erlebbar wird.
Meistens ergibt sich dabei noch viel mehr, unter anderem eine Fülle an großen und kleinen Ideen für die Kommunikation und ein mächtig brummender Motor für alles, was man als Content Marketing bezeichnen kann.
Und immer wieder entstehen daraus sogar echte Movements, was meiner Überzeugung nach das Beste und Kraftvollste ist, was man auf dem wert- und nährstoffreichen Humus seiner (Brand-)Story züchten kann.
Best Practice Storytelling: Das Imperium beißt zurück!
Dieser Tage sprang mir eine Kampagne aus UK ins Auge, bei der diese drei beschriebenen Werkzeuge sehr anschaulich eingesetzt werden: #EatThemToDefeatThem der Organisation VegPower , die sich dem Himmelfahrtskommando verschrieben hat, Kinder in Gemüseesser zu verwandeln. Hier treffen gleich mehrere Aufgaben aus dem Pflichtenheft von Sisyphos unglücklich aufeinander.
Wer Kinder hat oder selbst einmal eines war, weiß, dass sie über viele Jahre alleine mit Fruchtzwergen, Milchschnitten und Nudeln mit roter Sauce (aka Ketchup) blendend überleben können und dass die gelegentlichen Fischstäbchen mit Ketchup (aka rote Sauce) als ernährungsphysiologisches Highlight bezeichnet werden dürfen. Die beiden größten Bedrohungen in diesem Alter sind Schlafengehen, wenn man vor Müdigkeit schon nicht mehr sitzen kann, und Gemüse. Außer es kann aus einer roten Flasche gepresst werden oder es heißt Pommes frites.
Als nächste Hürde steht das böse, böse Müssen im Weg, was ungefähr gleich verhasst ist wie das gemeine nicht Dürfen. Noch dazu: etwas müssen, was die Eltern gut und auch noch vernünftig finden und das darüber hinaus auch noch gesund ist. Das schmeckt nach Katastrophe – willkommen in der No-go-Zone!
Und zu allem Überdruss muss etwas Gewohntes verändert werden – Effekt siehe oben.
Die Leute von VegPower und die Erfinder der Kampagne haben also ihr Story-Taschenmesser gezückt und Folgendes beispielhaft clever ins Werk gesetzt.
1. Die Neu-Lupe
Kein Mensch spricht bei VegPower von anders, von ändern oder sonst etwas Ähnlichem, sondern man bietet eine völlig neue Option, eine Idee, bei der Gemüse nicht mehr im Zusammenhang mit brav sein und gesund essen auftritt, sondern als genau das, als das es den Kids bekannt ist: als natürlicher Feind. Reframing, könnte man sagen. Hier gibt’s den Film dazu.
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2. Der Perspektiven-Wechsler
- Die Kampagne nimmt vom ersten Augenblick die Perspektive des Publikums ein, die der Kids und mittelbar auch die der Eltern. Gemüse ist eine Bedrohung in unserer Kinderwelt, wir müssen und werden es besiegen, mit der besten, ja, der unschlagbaren Methode, die wir auf Lager haben: #EatThemToDefeatThem
- Gleichzeitig wird das ungeliebte Thema der Vernunft auf ein völlig neues, publikumsaffines Terrain gehoben. Auf Spiel, Action und Superhelden reflektieren nun einmal viele Kids.
Ab sofort ist nicht mehr das Gemüse der Held, dem es zu folgen gilt, sondern die Kinder werden zu Helden, die dem Gemüse mit ihren Zähnen zu Leibe rücken.
3. Die Movement-Kurbel.
Eine weitere große Herausforderung bei Anliegen wie diesem ist, dass man in Wahrheit die Kids anspricht, aber die Eltern und Lehrer meint und umgekehrt. Hier will der möglichst richtige Ton für alle getroffen werden. Außerdem nutzen diese nahezu gegensätzlich gepolten Gruppen ganz unterschiedliche Medien und brauchen völlig verschieden Ansprache, Tools, Engagement-Haken und Calls to Action. Was man auf der VegPower-Website bereits sieht, klingt nach einem gut gelegten Fundament, das, so sagt man, kräftig ausgebaut wird. Und ausgebaut werden muss, wenn es denn wirken soll.
Derzeit ist auf Social Media nicht rasend viel los, was vermutlich an der erst ganz kurzen Kampagnenlaufzeit liegt, aber auch und vor allem daran, dass Social-Media-Engagements hier nur bedingt als Erfolgsparameter dienen können, zumal Kinder von Rechts wegen von der Nutzung ausgeschlossen sind.
Das macht überhaupt nichts, denn die Kraft dieser Bewegung entfaltet sich meiner Ansicht nach am besten dort, wo sich das echte Gemüsevernichter-Heldenleben abspielt: zuhause, bei Freunden, in der Schule, im Lebensmittelhandel, bei Events … #EatThemToDefeatThem hat das Zeug zu einem Alternate Reality Game und zu echtem Immersive Story Telling. Besser geht’s fast nicht, denn dadurch wird Bedeutung als Beziehung erlebt, nur und ausschließlich über Time with Brand, dem kostbarsten und wertvollsten, was eine Marke, eine Initiative, ein Unternehmen oder eine Organisation überhaupt bekommen kann.
Selbstverständlich braucht das auch Zeit und Geduld, wie man Veränderung insgesamt – zumal gesellschaftliche – besser in Generationen denkt als in Jahren.
Wir wollen an der Story anderer teilhaben.
Jeder Mensch will Teil von etwas sein, am liebsten Teil von etwas Größerem, wo Gleichgesinnte an dasselbe glauben und man selbst dabei etwas größer werden kann als man ist.
Ob diese Kampagne funktionieren wird? Ich habe keine Ahnung! „Nobody knows anything“, sagte schon Oscar®-Doppel-Preisträger William Goldman.
Ob diese Kampagne gut ist, der Filme gut ankommt etc.? Darüber kann man wie immer unterschiedlicher Auffassung sein. Jedenfalls ist die Storytelling-Mechanik smart, und wenn – wie die Erfinder von #EatThemToDefeatThem sagen – das erst der Anfang ist und das Involvement des Publikums dorthin kommt, wo es sein soll, dann bin ich überzeugt davon, dass alles da ist, was es braucht, damit die Zukunft von Karotte, Kohlsprosse & Co. so finster aussieht wie der Magen eines Volksschülers von innen.
Dass die Menschen von Unternehmen und Marken einen kräftigen Beitrag zur gesellschaftlichen Erneuerung und Aktivitäten mit Social Impact erwarten, ist gut und richtig, unbestritten und weltweit sogar untersucht und bestätigt. Dass dies für die Gesellschaft wertvoll und wichtig ist, eben so, wie es für die Unternehmen selbst sogar wirtschaftlich massiv erfolgreich wirkt.
Im Artikel „Im Anfang war das Wort. Im Anfang war der Wert. – Storytelling, das be-geistert.“, habe ich mehr darüber geschrieben.
Storytelling ist mehr als gut erzählen.
Storytelling wird oft als das Verpacken von Fakten in emotionale Storys verstanden, ja miss-verstanden und bei weitem zu kurz gedacht. Das gehört zweifellos dazu, weil wir Menschen uns an Fakten wenn überhaupt, dann bestenfalls erinnern, aber starke Storys nie mehr vergessen werden. Wir Menschen entscheiden emotional, Storys sind der beste Weg dorthin. Doch das ist erst der Anfang.
Story berührt tief in uns verwurzelte Wahrheiten, Sehnsüchte und Werte, aktiviert sie und teilt sie mit anderen. Das ist der wahre Kern, das ist es, was die Evolution uns Menschen als vermutlich mächtigstes Werkzeug ins soziale Betriebssystem programmierte.
Egal ob Weltkonzern, ob KMU/kleine und mittlere Unternehmen oder heldenhafte Einzelkämpfer als EPU – jeder Mensch, jede Marke, jedes Unternehmen hat und braucht mindestens einen archaischen Wert und die dadurch aktivierte Story, um die sich alles dreht. Wenn du keinen magnetischen Wert als lebendiges Thema hast, bleibt dir nämlich nur noch ein einziges anderes: der Preis. Und als Argument bleiben am Ende nur noch Verbote und Befehle.
Allen, die also sagen: „Für mich und meine Marke gilt das nicht!“ seien jene Worte ans Herz gelegt, die meine Großmutter, als sie noch die kleine Story Dudette war, mit Ketchup (aka rote Sauce) an die Türe von Old McDonald’s schmierte: „No Story. No Glory.“