Das war mir ein doppeltes Aha!-Erlebnis, als mich nach einem Vortrag über Brandstory eine Teilnehmerin in der Q&A-Session fragte: „Kann man das eigentlich auch für seine Personal-Brand anwenden?“
Die Antwort lautet nicht nur „Ja, unbedingt!“, sondern sogar noch viel mehr als das: Story funktioniert für Marken und in der Marketing-Kommunikation überhaupt nur deshalb, weil Story für uns Menschen als die wichtigste Methode des Erklärens funktioniert.
ZU FAUL ZUM WEITERLESEN? DANN HÖR MIR ZU:
Im Blogcast lese ich Dir diesen aktuellen Blogartikel vor. Mit Betonung, versteht sich!
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Mit Geschichten stellen wir Zusammenhänge her, verorten uns und finden Wege zum Sinn. Story ist unser Sextant zur Bestimmung unserer Position im Meer der Werte.
Mit Geschichten erklären wir uns selbst und einander das Leben, die Welt, die Umstände, Situationen, Ziele – einfach alles.
Ja das allermeiste von dem, was wir wissen, haben wir über Geschichten gelernt – vor allem, was wir über kulturelle, gesellschaftliche und zwischenmenschliche Themen lernten und wenn’s um das Teilen von Erfahrungen und Werten geht. Wir nehmen Erfahrungen – erlebte oder geteilte Geschichten – als Vorlage für neue Bilder, projizieren sie in die Zukunft, malen sie aus und setzen uns selbst ein.
Story – der Kompass, der auf uns selbst zeigt.
Mit Geschichten stellen wir uns Fragen und in Frage, wir stellen uns auf die Probe, stellen uns der Diskussion und zur Diskussion.
Mit Geschichten suchen wir Sinn, in Geschichten finden wir Sinn, mit Geschichten geben wir Sinn – sie zeigen uns unsere Berufung und wo unsere Bedeutung möglich wird.
Daher rührt meine lebenslange Begeisterung für alles, was Story für uns Menschen wirklich tut, weit über das funktional-handwerkliche Tool Storytelling hinaus. Geschichten sind unser evolutionär programmiertes Betriebssystem, unser General-Kompass, mit dem wir unsere Seele im unübersichtlichen weiten Land einnorden und der uns Orientierung gibt im Dickicht der Möglichkeiten.
Allein – ein Kompass, der so vielen Menschen fehlt: Warum ist das so? Muss das so sein?
Unsere großen und kleinen Geschichten, die Stationen auf unserer Reise durch unsere Zeit auf Erden, verschlingen sich arabeskenhaft zur Geschichte unseres Lebens. In stetem Auf und Ab spannt sich ein großer Bogen der Verwandlung von unserem ersten bis zu unserem letzten Atemzug. Am Ende dieser Verwandlung – oder mit Glück vielleicht schon früher – sind wir hoffentlich dort angekommen, wo wir sein sollen: bei unserer innersten Wahrheit, bei unserer Bestimmung, also bei uns selbst. Wir haben uns gefunden.
Story – Techniken der Verwandlung.
Unser Leben ist eine lange Schnur voller Perlen der Verwandlung. Jede Geschichte erzählt von einer Verwandlung, von einer Reise eines Menschen, der aus seiner gewohnten Welt aufbricht, um seine Glückseligkeit zu erreichen. Am Ende einer gelungenen Reise ist dann nicht nur etwas anders, sondern alles besser.
Im Äußeren handelt es sich bei dieser Verwandlung häufig um die Lösung eines Problems, um die Jagd nach etwas Begehrenswertem oder um das Besiegen eines Gegners. Im Inneren dreht es sich jedoch immer um ein Lernen, ums Erkennen, ums Verstehen und schließlich ums Anwenden des Verstandenen. Der wahre Gegner ist – in vielfältiger Verkleidung – meist ein Teil unseres alten Selbst, der nicht mehr zu unserem wahren Ich gehören soll und besiegt werden muss. So und nur so entwickeln wir uns weiter.
Diese Reise durchs Abenteuer Leben findet nie in einem komfortabel ausgestatteten First-Class-Abteil bei bestem Service statt, sondern zu Fuß, in drückenden, weil zu kleinen Schuhen, auf steinigen, steilen Pfaden, gegen Wind und Wetter. Meist sind wir dafür auch noch unzulänglich ausgerüstet und miserabel darauf vorbereitet, denn der Aufbruch zu dieser Reise findet selten geplant und freiwillig statt. Wir werden angestoßen, hineingestoßen, jedenfalls aus unserer Komfortzone herausgestoßen und setzen uns nur widerwillig in Bewegung. Wir wissen eben instinktiv: Die Reise ist beschwerlich – Veränderung bedeutet Schmerz. Jede einzelne Etappe verspricht reichlich Leid und Entbehrung, Mühsal und Plage.
Doch sich – gezwungenermaßen – auf den beschwerlichen Weg zu machen ist und bleibt die einzige Methode, mit der wir schließlich unser gewünschtes Ziel erreichen können. Viele Menschen verweigern deshalb den Ruf, vermeiden den Aufbruch und schreiben somit ihre Geschichte nicht.
Deine Story – die perfekte Welle.
Die meisten von uns waren irgendwann einmal elegante Surfbretter auf der Suche nach der perfekten Welle, hatten aber ihren Kompass nicht zur Hand oder ignorierten die Richtung, die er ihnen zeigte, und stehen nun vor dem Haufen ihrer geplatzten Träume – als traurige Bügelbretter. Bügelbretter, auf denen andere ihre frische Wäsche ausbreiten, denn die perfekte Welle des einen sieht für den anderen mitunter wie eine Flutwelle aus, oder wie ein Tümpel.
Menschen ohne Story-Kompass lassen es somit unweigerlich zu, dass andere eine Geschichte für sie schreiben, in der sie dann nicht die Helden sind, sondern Nebendarsteller. Sie spielen in ihrem eigenen Leben eine Nebenrolle.
Diese Menschen erkennt man an ihrem Morgengrauen im Morgengrauen, an ihren leeren Blicken in der U-Bahn und im Urlaub an den schönsten Orten der Erde; an ihren Postings über den Schrecken des Montags und über die vielen geilen Drinks am Donnerstag, Freitag, Samstag und Sonntag.
Vielleicht ist der weltweit massiv ansteigende Drogenkonsum nicht nur ein Zeichen von Party und guter Laune, sondern für das glatte Gegenteil davon?
Wer seine Story nicht lebt, spürt instinktiv eine große Leere in seinem Inneren, die dringend und immer wieder gefüllt werden muss. Dafür haben wir ein paar einfache, hoch effektive Zivilisationsausreden erfunden, hinter denen wir uns vor der angebotenen Hauptrolle verstecken.
Die drei am dichtesten besiedelten Verstecke sind meiner Beobachtung zufolge:
1) Wir geben vor, mit unserer Arbeit und anderen Verpflichtungen total beschäftigt zu sein, damit wir zum Glück weder Zeit noch Energie für unsere eigene Story haben können.
2) Wir kaufen Zeug, um diese innere Leere zu füllen.
3) Wir lenken uns ab, heutzutage vorzugsweise durch Scrollen durch Social Media Feeds, und wir sehen anderen dabei zu, wie sie sich als Nebendarsteller in ihrem eigenen Leben gebärden.
Wir definieren uns liebend gerne übers bequeme Äußere, damit wir bloß nicht ins verletzliche Innere müssen. Dennoch: die innere Leere bleibt und starrt uns mit verschiedenen, hässlichen Gesichtern an.
Das Gesicht immer wieder wechselnder Partner.
Das Gesicht der Unzufriedenheit im Job.
Das Gesicht der erschöpften Seele vulgo Burn-out.
Die Leere spricht ihre eigene Sprache mit eingeschränktem Wortschatz: eigentlich, irgendwann, wenn, aber, müsste, sollte, kann nicht …
Story – der Weg zur Bliss.
Wer seine Story nicht kennt, kann sie nicht leben, wer seine Story nicht lebt, dem fehlt der Sinn. Wer seinen Sinn nicht sieht, der fühlt sich irrelevant und bedeutungslos – das Schlimmste, was einem Menschen widerfahren kann. Er trägt das Gesicht der erschöpften Seele mit leerem Blick und kommt mit einem kompakten Wortschatz aus, der nur noch aus „eigentlich hätte“ besteht.
Es geht auch andersrum, wie uns Viktor Frankl sagt: „Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie.“
Es geht nur andersrum.
Wer seine Story kennt, kennt zwar nicht immer das konkrete Ziel, doch sieht er das Licht seiner Bestimmung funkeln und kann ihm folgen. – „Follow your Bliss!“, rief Joseph Campbell auf. Sei bereit, Dich von Deinen Lebensplänen zu lösen und das Leben zu leben, das auf Dich wartet.
Finde Deine Story und folge ihr – deine Bliss, deine Bestimmung, dein Auftrag, deine Glückseligkeit, deine Wahrheit, dein Heiliger Gral …
Joseph Campbell, der US-amerikanische Mythologe, erforschte die unbändige Kraft von Geschichten in unserer Kultur und in unserem persönlichen Leben. Er untersuchte und identifizierte die universellen Themen und Archetypen, die im mythischen Geschichtenerzählen auf der ganzen Welt präsent sind, über alle Generationen und Kulturen hinweg, und er half der modernen Gesellschaft, diese zu verstehen.
Er hat vor 70 Jahren mit der Heldenreise ein Modell entwickelt, mit dem er die inneren Gesetzmäßigkeiten, die unseren Geschichten zur Welterklärung zugrunde liegen, beschreibt.
Joseph Campbell spricht von einem Monomythos, denn in ihrer Struktur gleichen alle bedeutenden Geschichten einander – beginnend mit den Ur-Mythen der Menschheit, die seiner Arbeit zugrunde liegen. Auf ihrer Reise durchläuft die Heldin – also die Hauptperson der Geschichte – 17 Stationen der Entwicklung, vom Aufbruch aus der gewohnten Welt bis zur befreiten Heimkehr.
Er wurde auf diese Mythen über die Geschichten der amerikanischen Ureinwohner aufmerksam und verfolgte sie weiter bis hin zu den Sagen vom Heiligen Gral und von König Arthur. Heute ist sein Wissen längst auch in Hollywood gelandet. Star Wars von George Lucas, der Joseph Campbell sehr verehrte, war angeblich das erste Drehbuch, das bewusst nach dem Modell der Heldenreise geschrieben wurde. Und wenn Du Dir die mythische Struktur des Films mit wachem Auge ansiehst, erkennst du, dass König Arthur und Luke Skywalker die gleichen Figuren sind wie auch Merlin und Obi-Wan Kenobi. Die Legende von Arthur ist Star Wars im Mittelalter und Excalibur nur ein anderes Wort für Lightsaber …
Aus dieser mythologischen Kraft und spirituellen Archaik rührt die magnetische Faszination, die Geschichten auf uns ausüben, auf jeden von uns unterbewusst, auf uns Story Insider in vielen weiteren, uns bewussten Dimensionen.
Wenn Du Dich für Joseph Campbells wissenschaftliche Arbeit interessierst, dann lies am besten sein bis heute richtungsweisendes Werk „Der Heros in tausend Gestalten“ aus dem Jahr 1949, und schau Dir einmal die Website der Joseph Campbell Foundation näher an.
Mit allem, was ich darüber weiß und täglich lerne, steigt meine Begeisterung dafür. Diese Begeisterung inspirierend und hilfreich zu teilen ist vermutlich meine Bliss. Davon handelt auch mein Buch über Story, an dem ich seit vielen Monaten – leider nicht in der nötigen durchgängigen Intensität – schreibe. Es wird kein Fachbuch über Storytelling-Methoden, davon gibt’s bereits genug, sondern es beschäftigt sich mit den Wurzeln, dort, wo wir an Story angewachsen sind, und wie uns Story stark macht – als Menschen, als Unternehmen & Organisationen, als Gesellschaft …
Kenne Deine Story – folge deiner Bliss.
Ich habe Joseph Campbells Modell der Heldenreise in meiner Methode Hero Branding® in eine vereinfachte, leicht verständliche und praktisch anwendbare Version verdichtet und werde in den nächsten Folgen meines Blogs für alle Story Insider die einzelnen Stationen mit Dir durchwandern.
Wer die Heldenreise versteht, hat nämlich ein mächtiges Werkzeug zur Hand, das in vielen Anwendungsfeldern wirkt: natürlich im Verstehen und Gestalten von Geschichten in der Literatur, im Film oder auf der Bühne; zur Anwendung in der Marketing-Kommunikation, zum Beispiel bei Pitches, Vorträgen und Präsentationen; oder in der Entwicklung von Brandstorys, für das Entfachen von Begeisterung, um Menschen zu bewegen, also in der Führung; und allem voran im Verstehen der Welt, der Erklärung seines eigenen Lebens oder einzelner Kapitel seines Lebens. Auch das ist Führung, weil es ja nicht zufällig heißt: „sein Leben führen“.
Wenn Du Deine Story kennst, gelingt dir das. Wenn nicht, führen Dich andere in ihrem Leben – als Nebendarsteller. Deshalb: Follow your Bliss!
Denn jeder Mensch, aber auch jedes Unternehmen – egal ob Weltkonzern, ob KMU/kleine und mittlere Unternehmen –, jede Organisation braucht Sinn, eine Mission, einen Purpose, Bliss, also mindestens einen archaischen Wert und die dadurch aktivierte Story, um die sich alles dreht. So gewinnt man gleichgesinnte Mitstreiter, so wird man zur Heldin der eigenen Geschichte.
Allen, die also sagen: „Für mich oder für meine Marke gilt das nicht!“, seien jene Worte ans Herz gelegt, die meine Großmutter, die alte Story Dudette, Joseph Campbell einst am Lagerfeuer ins Ohr flüsterte: „No Story. No Glory.“