Oft werde ich gefragt: „Wie geht man es an, wenn man eine Brandstory braucht?”, und bemerke dabei, dass als Antwort etwas unglaublich Kompliziertes erwartet wird. Aber: Enttäuschung und Erleichterung. Brandstory ist kompliziert? – Das Gegenteil ist der Fall!
Brandstory funktioniert in der Mechanik sehr einfach und folgt, für viele eben verblüffend, simplen schematischen Prinzipien. Die Kehrseite ist: wenn du die Inhalte deiner Brandstory suchst, dann wird es schwierig – aber noch immer nicht kompliziert. Denn da geht es um Fokus, Reduktion und Genauigkeit, also ums Weglassen von Überflüssigem. Um die Entdeckung der Einfachheit in Albert Einsteins Gedankenfurche: „Wenn du etwas nicht einfach erklären kannst, verstehst du es nicht gut genug.”
Das Problem ist, du kennst dein Produkt oft viel zu gut, um es gut genug zu verstehen. Du stehst zu nah dran, steckst zu tief drin, liebst es mit heißem Herzen. Gute Berater bringen in dieser Situation eine ganz wesentliche Eigenschaft mit an den Tisch, die du selbst unmöglich haben kannst: den scharfen Blick von Außen, mit dem sich überflüssiger Kommunikationsballast sauber wegschneiden lässt.
Aber, was ist schon überflüssig bei einer Marke? Bei deiner Marke?
Jedenfalls sind die Fakten überflüssig. Natürlich sind Fakten nicht überflüssig, aber letztlich sind die so genannten Hard Facts, die Produktvorteile und Leistungsversprechen dann doch wieder selbstverständlich, in aller Regel ziemlich austauschbar und als echte Entscheidungs- und Unterscheidungsmerkmale kaum tauglich. Oder sie werden früher oder später kopiert. Innovation ist lebenswichtig, aber keine Überlebensgarantie.
Fakten sind unterm Strich nicht das, was wir Menschen kaufen, auch wenn wir es oft und gern behaupten und uns selbst einreden. Vor allem dann, wenn wir wieder mal etwas zu Teures gekauft haben, was wir in Wirklichkeit gar nicht brauchen.
Ebenso ist der kleine Preis alles andere als der Weisheit letzter Schluss, denn es gibt kaum etwas Teureres als „Billig!” zu rufen, und jeder kann sich ausrechnen, wohin das früher oder später führt.
Einstein folgend müssen wir zu allererst etwas sehr Einfaches verstehen: Wir Menschen suchen Sinn und Bedeutung in allem was wir tun. Denn darin entdecken wir, wer wir sind. Damit erzählen wir, wer wir sind, bekommen Feedback von unserer Umwelt und entdecken darin wiederum, wer wir sind.
Wir Menschen kaufen keine Produkte, wir kaufen Bedeutung. Bedeutung macht relevant. Bedeutung ist relativ. Bedeutung schafft Resonanz.
Denn wir definieren uns selbst über viele Parameter, beginnend bei Geschlecht, Rasse, Herkunft oder Religion und in unserer so genannten zivilisierten, Konsum-geprägten Welt zudem ganz massiv über das, was wir kaufen. Oder nicht kaufen. Da steckt die Bedeutung drin.
Ob dir etwas wichtig ist, erkennst du daran, ob du bereit bist dafür Geld auszugeben oder dafür deine Zeit zu investieren. Diese Erkenntnis hat zweifellos etwas Zynisches, doch so ist die Zeit, in der wir leben. Funktion und Nutzen liefern alle, Relevanz durch Bedeutung haben eben nur unsere Lieblingsmarken, mit denen wir über uns selbst erzählen.
Ja, es stimmt, dass Produkte von hoher Qualität naturgemäß teurer sein müssen als solche von geringerer, weil schlichtweg mehr Entwicklungsarbeit, teureres Material und längere Produktionszeit drin stecken. Nur: der echte, auch im Preis ausgedrückte Mehrwert entsteht in der Bedeutung.
Für die Bedeutung einer Marke geben wir Menschen sogar wesentlich mehr Geld aus als für das, was das Produkt an funktionalem Nutzen liefert.
Einzigartige Produkte sind sehr, sehr selten, auch wenn das die Hersteller der Produkte nicht gerne hören. Für jedes Produkt gibt es irgendwo ein Me too. Die erfolgsbringende Unterscheidung liegt in der Bedeutung, den Werten, dem Warum – in der Story. Da entsteht das einzigartige Made for me. Relevante Resonanz.
Alles beginnt mit dem Warum. Friedrich Nietzsche sagte einst: „Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie.” Ins Marketing übersetzt bedeutet das: „Wer das Warum einer Marke liebt, erträgt fast jeden Preis.” Wobei sich der Preis nicht nur in Geld ausdrücken kann, sondern ein Synonym für Gegenwert ist. Das Warum einer Marke ist mir so nahe und bedeutend, dass ich dafür etwas Wertvolles gebe: meine Daten, meine Empfehlung, mein Geld – meine Zeit … Time with Brand.
Für die Entwicklung einer nachhaltig kraftvollen Brandstory habe ich über fast 15 Jahre ein facettenreiches Methodenprogramm entwickelt, dessen Herzstück Hero Branding® – Brands make Heroes bildet.
In meinem Methoden-Baukasten liegt auch eine Reihe von kleineren, spielerischen Tools bereit, die auf der Suche nach dem Warum, nach Bedeutung, Werten und Relevanz sehr hilfreich sind. Ich verwende sie in Workshops mit Klienten, genauso wie in Sessions mit meinen Creative- und Strategieteams jeder Größe und auch manchmal ganz allein für mich.
Du als Leser meines Blogs bekommst hier exklusiv ein Best of und kannst damit gleich jetzt einen Mini-Workshop mit dir selbst veranstalten. Dazu ein paar wichtige Hinweise als generelle Gebrauchsanweisung:
- Bei diesen Tools handelt es sich um spielerische Aufgabenstellungen, die dir bei der Veränderung von Denkrichtung und -perspektive helfen. Sie sind von der Fragestellung scheinbar naiv einfach, aber beim ersten Ausprobieren wirst du schnell einiges an Mühe verspüren. Die Mühe lohnt sich!
- Schriftlich machen und zwar auf Papier, nicht am Computer oder Tablet. Viele Erfahrungen in kreativen Prozessen zeigen, dass die Verbindung aus Hirn/Herz, Hand mit Stift/Papier wesentlich bessere Ergebnisse bringen als bei digitalem Aufschreiben. Das hat mit der besonderen Magie von schöpferischem Arbeiten zu tun, gilt für Kunst, Design und jede andere Art von Kreativität bis hin zum Schreiben von Konzepten und Strategien. Ich teile diese Erfahrung absolut und ausnahmslos, wobei ich als Gründungsmitglied der Digitalen Bohème alles andere als technologiefeindlich gestimmt bin.
- Machen, nicht lange nachdenken. Kraft, Wirkung & Inspiration entstehen im Tun. Vertrau‘ dem Prozess!
- Wer mit Liegestütz Muskeln aufbauen will, zehn Stück schafft und jeden Tag zehn macht, wird genau keinen Muskel aufbauen. Wer zehn schafft, muss elf machen, wer elf schafft, muss sich einen zwölften Liegestütz abringen, damit etwas wächst. Und dann kurz durchatmen und gleich noch drei dranhängen. Genau so pumpst du auch deinen Kreativ-Muskel auf. Also: Wenn nichts mehr geht, weitermachen. Und staunend übers Ergebnis freuen.
- Oft hilft der Kreativ-Trick Nummer 1: Probieren wir doch einfach mal das Gegenteil von dem, was wir jetzt machen.
Das sind meine All-Time Favorites:
Das Status-Update.
Wir Menschen wollen ständig unseren Status updaten, nicht nur auf Facebook, sondern bei allem, was wir tun. Das ist in unserem Betriebssystem einprogrammiert. Bitte „Status” nicht linear interpretieren im Sinne von „gesellschaftliche Schicht”.
Als Ergebnis dessen posten wir in unseren Social Profiles Dinge, von denen wir uns Likes und Shares erhoffen, also Anerkennung für unseren Status. Wir erzählen damit über uns selbst: Inhalte, die wir für uns als relevant empfinden und mit denen wir uns definieren. Sieh dir mal die Streams von Facebook, Instagram & Co. durch. Welche Themen würde dein Publikum liken, kommentieren oder sharen? Was würde deine Marke liken, kommentieren oder sharen? Was müsste deine Marke posten, damit es dein Publikum liked, kommentiert oder shared?
Der WhatsApp-Test.
Angenommen, deine Marke ist neu und wird eben erst von deinem Publikum mit Begeisterung entdeckt. Ein Geheimtipp, sozusagen. Was würde jemand seinen Freunden in einer kurzen Botschaft darüber schreiben, beginnend mit: „Schau, was ich entdeckt habe: …”
Die Grabrede des rettenden Engels.
Dieses Tool gibt es in zwei Varianten. Die makabere Variante B) funktioniert aus meiner Erfahrung meistens besser, ich habe aber keine Ahnung weshalb.
- Stell dir vor, deine Marke ist neu. Der rettende Engel erscheint uns Menschen und verkündet uns die frohe Botschaft. „Menschen der Erde! XX ist heute zu euch gekommen, und euer Leben wird nicht mehr sein wie zuvor. Denn endlich …”
- Stell dir vor, deine Marke wäre gestorben und wir stehen rund ums offene Grab. Es ist an dir, die Trauerrede auf deine Marke zu halten. „Wir sind hier in dieser Stunde des Abschieds versammelt, einen unersetzlichen Verlust zu betrauern. Denn mit XX verlieren wir … Niemand sonst kann uns …”
Die Rocky-Methode.
Jede Geschichte beschreibt die Entwicklung der Hauptfigur in einem so genannten Character Arc. In Filmen wird das sehr deutlich sichtbar, weil das Opening Image das Gegenteil des Closing Images ist. Dazwischen liegt etwas, was die Hauptfigur erreicht hat. Etwas ist nicht im Gleichgewicht, die Hauptfigur muss es durch eine besondere Leistung in Balance bringen. Ich nenne das die Rocky-Methode, weil die Mechanik in dieser Story besonders deutlich sichtbar wird.
Ungleichgewicht – Opening Image: Rocky streunt als Außenseiter durchs Leben.
Gleichgewicht – Closing Image: Rocky wird von den Massen bejubelt.
Leistung – Achievement: Nach außen hat Rocky einen heroischen Kampf gegen den Schwergewichts-Weltmeister Apollo Creed geliefert. Tatsächlich hat er einen noch viel stärkeren Gegner besiegt, nämlich sein mangelndes Selbstwertgefühl. Rocky hat gelernt: Ich bin es wert, dass man mich liebt.
Das ist das einfachste dramaturgische Schema einer Story und zeigt gleichzeitig den Kern von Storytelling so wie man es richtig verstehen muss. Es geht um einen Wert, der in Gefahr ist, wenn der Held einer Geschichte nicht eine besondere Leistung bringt – faktisch und emotional. Das ist das Schema einer wirkungsvollen Brandstory.
Mach den Test. Dein Publikum ist Rocky – welche Sehnsucht hat es, die es mit deiner Marke befriedigen kann? Wenn du das weißt, dann weißt du auch, in welchem Business du wirklich bist und hast den Motor deiner Brandstory gestartet. Mehr dazu gibt’s hier.
Die Hollywood-Combo.
Neue Dinge sind in den allermeisten Fällen nichts Anderes als die ungewöhnliche, durchaus paradox erscheinende Kombination von bereits Bekanntem, die ein verblüffendes neues Ergebnis bringt. Im Kern kann man so das Wesen von Kreativität beschreiben.
Wenn in Hollywood neue Filme oder Serien-Konzepte präsentiert werden, dann fällt häufig der Satz: „It’s like Story A meets Story B.” und jeder hat dann ein Bild vor Augen. Zum Beispiel Emergency Room meets Sex and the City. Was kommt dabei raus? Richtig: Grey’s Anatomy, dessen Arbeitstitel übrigens Sex and the Surgery war.
Probiere die Hollywood Combo für deine Markenstory aus. Welche zwei (maximal drei) bekannten (Marken-)Geschichten kannst du kombinieren?
Unser Rebellen-T-Shirt.
Der beste Trick of the Trade des neuen Denkens in der Marketing-Kommunikation ist, wenn du deine Marke, die Brandstory und das, was du für sie tust, aus der Perspektive einer Bewegung siehst. Was würdest du tun, würdest du nicht ein Produkt oder eine Dienstleistung auf Lager haben, sondern ein Movement auf die Beine stellen wollen? Damit kannst du Begeisterung und Engagement entfachen. Wir Menschen wollen nun einmal zu etwas gehören, das größer ist als wir und Sinn stiftet. Im Großen und im Kleinen. Und auch die vielfach als Klischee missbrauchte kleine Supermarkt-Kassenmitarbeiterin will in ihrer Arbeit Sinn finden. Ebenso wie der Gehirnchirurg. Sinn bedeutet für jeden etwas Anderes, dennoch für viele das Gleiche.
Was würde am T-Shirt dieser Bewegung stehen? Das kann der Claim deiner Marke sein, muss aber nicht – schon deshalb nicht, weil nicht jede Marke notwendigerweise einen Claim braucht. Aber es hilft. Also: Was würde am T-Shirt deiner Mitarbeiter stehen, damit sie es mit Stolz tragen? Welche Botschaft müsste draufstehen, damit es dein Publikum trägt? Mehr zur Rebellen-Kraft von Marken gibt’s hier.
Solltest du bei diesen Tools nicht auf Themen und Werte stoßen, sondern auf der Ebene von Produkt-Facts stehen bleiben, dann hast du keine Brandstory, sondern ein Problem. Dann musst du dringend etwas unternehmen, denn sonst bleibt dir bald nur mehr ein einziges Gesprächsthema, und das ist der Preis. Bloß nicht!
Inspiriere dein Publikum mit Dingen, die in seinem Leben Nutzen bringen. Dann musst du es nicht verzweifelt mit Adverstalking verfolgen, sondern die Menschen werden zu dir kommen. Die Voraussetzung dafür ist, dass deine Marke die oben beschriebenen einfachen Prinzipien aktiviert.
Ja, einfach! Und noch einmal Albert Einstein: „Jeder halbwegs pfiffige Dummkopf kann die Dinge größer, komplizierter und gewalttätiger machen. Es braucht den Hauch eines Genies – und viel Mut – um sich in die umgekehrte Richtung zu bewegen.”
Lass uns also genial und mutig sein, nicht nur über den Preis reden, sondern respektvoll mit unserem Publikum ins Gespräch kommen. Lass uns die Menschen mit relevanten Storys involvieren. Egal ob multinationale Megabrand, B2B, B2C oder Solopreneur. Lass uns Story statt Werbung machen. Werbung erzeugt nur Echo, Story erzeugt Resonanz.
Für alle, die sagen: „Bei meiner Marke geht das nicht!” erinnere ich an den einfachen Satz, um den Albert Einstein meine Großmutter, die alte Story Dudette sein Leben lang beneidete: „No Story. No Glory.”