Dass Marken in ihrer Kommunikation aktuelle Ereignisse nützen, häuft sich naturgemäß seit das Internet in den Alltag gehört und dadurch sowohl Tempo als auch Möglichkeiten zunehmen. Das Aufgreifen von politischen oder gesellschaftlich relevanten Themen und Stimmungen ist ebenfalls keine Neuigkeit, die Kontroverse oft Teil des marketingtechnischen Kalküls.
In den 1980er Jahren stellten Benetton und Oliviero Toscani mit der United Colors of Benetton-Kampagne einen Leuchtturm auf, dessen Licht bis in die heutige Zeit strahlt. Firmenchef Luciano Benetton vertrat damals die Ansicht, wenn er schon Werbung machen müsse, dann wolle er seinen Auftritt sinnvoll nützen und die Welt auf die brennenden Problem der Zeit aufmerksam machen. Meine Meinung war damals schon differenziert, denn über Krieg, Rassenprobleme, AIDS und Armut war die Welt auch ohne Benetton-Werbung bereits ausreichend informiert und der – vermutlich ungewollte – Zynismus der Aktion überstrahlte für mich den tatsächlich brillanten Kommunikations-Gedanken.
Benetton brachte nämlich mit seinen Farben und Mustern eine neue Fröhlichkeit in die damals – auch in Italien – noch sehr eintönige Modewelt. Die Umbenennung der Marke Benetton auf United Colors of Benetton und sodann den United-Gedanken als Brand-Mission zu inszenieren fand ich exzellent gedacht und halte das bis heute für mutig und vorbildlich. Nach und nach weitete sich die Werbekampagen in eine Brand Experience aus – Benetton startete das Magazin Colors, eröffnete das Medien-Creativ-Labor Fabrica und startete unterschiedliche Projekte mit gesellschaftlicher Relevanz, von Kultur bis Diversity und betreibt aktuell ein Women Empowerment Program. Damit gewann Benetton Glaubwürdigkeit, weil Initiativen gesetzt und nicht nur Themen plakatiert wurden. Mittlerweile hat das Unternehmen allerlei wirtschaftliche Troubles erlebt und die Kommunikation stolpert einigermaßen erratisch durch die Gegend. Dennoch: die Strategie in der Verschränkung von Brand & Mission ist nach wie vor Gold Standard.
Wie schnell und kräftig es nach hinten los geht, wenn Substanz und Gespür fehlen und auch noch spektakuläre Geschmacklosigkeit dazu kommen, das erlebt dieser Tage Pepsi mit einem Film, der Kendall Jenner, Mitglied des in den USA viel geschmähten weißen Establishments, als Cola-bringenden Friedensengel bei einer Demonstration inszeniert.
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Abgesehen davon, dass diese Idee eine total aufgesetzte Werberhirnidee, die nur mit Krampf ins Brandpositioning Live for now geschraubt werden kann und dabei so hanebüchen dämlich ist, dass der Magen gar nicht mehr mit dem Rotieren aufhört: Es gibt Themen, die läßt man einfach aus. Punkt. Wer in einem Kommunikationsberuf arbeitet und das nicht spürt, sollte sich eine andere Branche suchen. Und weil das noch nicht reicht, wird auch noch das ikonische Bild von der Demo in Baton Rouge anlässlich der Erschießung des Afroamerikaners Alton Sterling durch einen Polizisten instrumentalisiert.
Und dahinter kommt rein gar nichts mehr weit und breit, ausser der Verkauf von Pepsi. Man erkennt die Absicht und ist verstimmt. Den Shitstorm der Extraklasse, an dem sich auch eine ansehnlich Schar von Hollywoodgrößen beteiligte, hat sich Pepsi redlich verdient. Der Spot wurde mittlerweile zurückgezogen und eine Entschuldigung platziert. Was bleibt ist ein saftiger Schaden für die Marke und ein mehr als übler Nachgeschmack. Bemerkenswerte, dass weder bei Pepsi, deren Inhouse-Agentur noch im Team Kendall jemand Verantwortlicher zu finden war, der mit einem beherzten „Geht’s noch!?!” das Drama verhinderte.
Diesel täte ebenfalls gut daran, seiner Idee „Make Love Not Walls.” Substanz zu verleihen. Die Idee, Mauern nieder zu reissen, passt sehr gut zum subversiven Geist der Marke, gilt Diesel-Gründer Renzo Rosso doch als Erfinder der distressed Jeans, also der zerstörten Hosen die mehr kosten als die ganzen. In unserer Zeit, in der das Trennende so viel wichtiger scheint als das Gemeinsame, könnte sich die Marke wirklich nachhaltig für eine Gegenbewegung engagieren und nicht nur eine geile Kampagne von David LaChapelle produzieren lassen. Das würde allen mehr bringen, am meisten der Marke.
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Dasselbe gilt für die Deutsche Bahn, die relevante Bahn-Geschichten im gesellschaftlich aktuellen Kontext erzählen will und kürzlich einen ersten Spot aus einer angekündigten Serie veröffentlichte, und zwar über Toleranz.
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Gerade ein Unternehmen wie die Bahn sollte es nicht bei Filmen belassen, aus der gesellschaftlichen Verantwortung heraus und aus dem Nutzen, der sich so für eine starke Marke ableiten ließe, sind doch Züge und Bahnhöfe per se Orte, an denen sich Menschen begegnen. Das Verbinden von Menschen ist das Kerngeschäft. Die Deutsche Bahn hätte alle Chancen, ein positives Movement auf die Beine zu stellen. Vielleicht kommt’s ja noch. Wenn nich: schade …
Wenn die Pepsi-Panne für irgend etwas gut war, dann vielleicht dafür, dass man daraus für die eigene Arbeit etwas lernen kann und die Gültigkeit von sechs Grundregeln für Purpose-driven Brandstorys bestätigt sieht:
- Finden Sie den Purpose aus den genetischen (≠ generischen!) Werten der Marke.
- Das Thema muß einen wesentlichen Grundwert der Marke aktivieren, etwas, für das es sich zu kämpfen lohnt.
- Der Brand Purpose muss dem Unternehmen ein authentisches Anliegen sein. Würden Sie sich auch dafür stark machen, ohne dass es ihrer Marke Werbe-Nutzen bringt?
- Ein Brand Purpose muss einen Beitrag zum Nutzen des Publikums liefern.
- Das Publikum muss aktiviert werden und darf nicht passiver Beobachter bleiben. So wird es tragender Teil des Brand Purpose.
- Die Message muss T-Shirt-fähig sein, also sowohl von Botschaft und Formulierung konzentriert kommuniziert werden können.